Closed und Philouze: Style Beyond Gender

Sophia Lewis bereitet 1998 eine Modenschau für Jil Sander vor.

Text und Interview von Laura Reinke für das Hard Copy Magazin von Closed
Fotografie von Maximilian Attila Bartsch
Polaroids: Privatarchiv

Young people like to convey a message with fashion and use it as a form of communication, a method of expression.

Closed and Philouze ist unsere neue Unisex-Kollektion, die in Zusammenarbeit mit dem New Yorker Stylisten und Vogue Menswear Editor Michael Philouze entstand. Die Capsule spiegelt die Werte der Jugend von heute wider, von Nachhaltigkeit bis hin zum geschlechtsneutralen Ausdruck. Darüber hinaus ist die Kollektion sowohl aus modischer als auch persönlicher Sicht eine Hommage an die Neunziger. Michael Philouze und Closed Womenswear Designerin Sophia Lewis lernten sich 1998 kennen. Damals waren sie zwischen Hamburg und Mailand für Jil Sander tätig. Der geborene Franzose Michael Philouze wuchs in Paris auf. Er war der Assistent des Stylistin Joe McKenna. Sophia Lewis, ursprünglich aus Wales, arbeitete als Assistentin im Atelier von Jil Sander. Zu dieser Zeit wurde “less is more” groß geschrieben. Auch war es die Ära von Supermodels wie Malgosia Bela, die für ihren ersten Job mit Sophia und Michael zusammenarbeitete. Gemeinsam sprechen sie über die Kollektion, ihren Hintergrund und darüber, was es bedeutet, europäisch zu sein.

MICHAEL PHILOUZE 

Sophia, erinnerst du dich noch an unser erstes Treffen?

SOPHIA LEWIS 

Natürlich, das werde ich nie vergessen. Es war im Sommer 1998. Damals waren wir Anfang zwanzig und haben beide noch für Jil Sander gearbeitet. Wir haben uns sofort verstanden. Anders wäre es auch gar nicht gegangen, denn wir verbrachten zwei Wochen gemeinsam in einem kleinen Raum, um die Modenschau vorzubereiten. Wir mussten miteinander auskommen.

MICHAEL PHILOUZE 

Ich erinnere mich, dass wir damals beide aufgrund der vielen weißen Hemden auf den Kleiderstangen weiße Handschuhe trugen. Es hatte was von einem Fashion-Labor.

SOPHIA LEWIS 

Ja, kein Kaffee im Raum und alles musste sauber bleiben. Die Models durften sich nicht bücken, weil die Kleider bereits gesteamd waren. Du hast die Models gehalten, während ich ihnen die Schuhe anzog…

MICHAEL PHILOUZE 

Obwohl es fast 24 Jahre her ist, habe ich die Musik zur Show von Frédéric Sanchez noch im Kopf. Eine vage Erinnerung, die mir immer im Gedächtnis bleiben wird. Alles war einfach perfekt: der Rhythmus, der Look, die Sounds...

Malgosia Bela in 1998.

SOPHIA LEWIS

Malgosia, an was erinnerst du dich von damals?

MALGOSIA BELA

Ich erinnere mich an eure freundlichen Gesichter, als ich den kleinen Raum voller Kleidung betrat. Es war mein erster Modeljob. Ich war 21 und erst zwei Monate vorher von Polen nach New York gezogen. Es war meine erste Show und mir fehlte jede Erfahrung. Die Atmosphäre war extrem konzentriert – fast religiös. Alle hatten einen unheimlichen Respekt und sprachen nur sehr leise. Smartphones gab es nicht und damit auch keine Ablenkung.

SOPHIA LEWIS

Das Level an Disziplin und Kreativität war wirklich unglaublich. Ich bin bis heute dankbar für das, was ich damals erlebt habe. Jil Sander war sehr konzentriert. Das gleiche gilt für den Stylisten Joe McKenna – ein echter Perfektionist.

MALGOSIA BELA

Ich hatte keine Erfahrung mit Kleidung oder Silhouetten und sah ihm genau bei der Arbeit zu. Es hat mich an meine Kindheit erinnert und deshalb angesprochen. Meine Mutter sagte immer: Bei allem was du tust, auch beim Boden wischen, musst du dein Bestes geben. Und genau darum ging es: hundertprozentige Hingabe und Konzentration. Heutzutage wird diese Art von Engagement zunehmend weniger.


MICHAEL PHILOUZE

Was vermisst ihr noch an den Neunzigern?

SOPHIA LEWIS

Fokus ist ein wichtiges Schlüsselwort. Ständig blinken bei mir mein Computer oder mein Handy. Ich bin dauerhaft online. In den neunziger Jahren hatten wir noch die Chance uns auf etwas zu fokussieren.

MALGOSIA BELA

Mir geht es genauso. Damals war alles anders. Ich ging einmal pro Woche ins Business Center des

MICHAEL PHILOUZE

Die Neunziger waren auch das letzte große Modejahrzehnt. Damals war die Mode das, was heute als Referenz für die 2000er und 2010er gilt. Sind sind das letzte Jahrzehnt, das Einfluss auf die heutige modische Ästhetik nimmt.


MICHAEL PHILOUZE

Neben den besonderen Momenten in Mailand verbindet uns auch, dass wir alle Europäer sind. Was bedeutet das für euch beide?

MALGOSIA BELA

Ich bin sehr stolz, Europäerin zu sein. Als Polin ist Europa gerade ein ganz großes Thema für mich. Unsere Regierung ist sehr anti-europäisch eingestellt, was eventuell dazu führen kann, dass Polen aus der EU austritt. Mit meinem Sohn und meinem britischen Mann spreche ich momentan oft über die Bedeutung, europäisch zu sein. Wir haben das lange für selbstverständlich gehalten. Die Situation mit Russland, dem Brexit und so weiter hat dazu geführt, dass wir uns als Europäer neu definieren und anerkennen müssen. Für mich ist das ein Gefühl von Gemeinschaft – etwas, das ich in den USA vermisst habe. Es bedeutet seine Wurzeln, Geschichte und Werte zu teilen. Es ist okay, anders zu sein, denn es gibt eine gemeinsame Basis.

SOPHIA LEWIS

Europäisch zu sein bedeutet Gemeinschaft und Freiheit. Vor kurzem habe ich meine deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Ich bin jetzt halb Deutsche, halb Britin. Natürlich war der Brexit ein großes Fragezeichen für mich. Viele Werte der EU sind toll: das Miteinander als Team, die Freiheit, das Verständnis zwischen den Nationen. Warum sollte man das aufgeben wollen?

MICHAEL PHILOUZE

Europäer zu sein bedeutet für mich, geerdet zu sein. Ich bin halb Franzose, halb Deutscher und fühle mich in Europa zuhause, weil alles so vertraut ist. Obwohl ich den Großteil meines Lebens in den USA verbracht habe, fühlt es sich immer noch wie ein Abenteuer an. Es gibt immer etwas Neues und Unbekanntes zu entdecken. Das macht es aufregend. Ich bin froh, viel Zeit in Paris und Deutschland verbringen zu können. Über die Möglichkeit, nach Hamburg zu kommen und mit Sophia für Closed eine Kollektion zu kreieren, habe ich mich sehr gefreut. Vor allem, weil es schon immer mein Wunsch war, in Deutschland zu arbeiten.


MALGOSIA BELA

Wann hattet ihr die Idee, gemeinsam eine Kollektion zu kreieren?

SOPHIA LEWIS

Michael hat mehrere Kampagnen für Closed gestylt. Als er während des Lockdowns in Hamburg war, haben wir bei mir mit meiner 17-jährigen Tochter zusammen zu Abend gegessen. Er fragte sie, welche Themen für die Jugend heute wichtig sind. Wir sprachen über Nachhaltigkeit, geschlechtsneutralen Ausdruck, “less is more” und wurden an unsere Jugendzeit in den Neunzigern erinnert. Das brachte uns auf den Gedanken, eine Kollektion für Closed zu entwerfen.

MICHAEL PHILOUZE

Der ganze Prozess fühlte sich wie eine Fortsetzung unserer Freundschaft an. Es war ein sehr schöner Fluss des Ideenaustausch und des gemeinsamen Schaffens. Wir waren schon immer ein gutes Team, daran hat sich nichts geändert.


MALGOSIA BELA

Wie würdet ihr die Kollektion beschreiben?

SOPHIA LEWIS

Es ist eine kleine Kollektion aus Unisex Basics – extrem modern und mit einer Botschaft dahinter. Junge Leute nutzen Mode als eine Form von Kommunikation und um sich damit auszudrücken. Diesen Esprit wollten wir einfangen. Wenn man älter wird, neigt man dazu, das zu vergessen und Kleidung als praktisch anzusehen. Einfachheit war uns auch wichtig. Schließlich haben Michael und ich so angefangen bei Jil Sander, der “Queen of Clean”. Minimalistisch, eine klare Botschaft und absolute Perfektion – hier geht es um die Details ebenso wie um den nachhaltigen Aspekt der Kollektion. Wir haben umweltfreundliche Techniken und Stoffe wie Bio-Baumwolle und recyceltes Nylon sowie mineralische Farbstoffe verwendet. Außerdem wurde fast alles in Europa produziert.

MICHAEL PHILOUZE

Zeitlos, bequem und für jeden gemacht. Ich bin wirklich stolz darauf und kann es kaum erwarten, zu sehen, wer die Looks tragen wird.


Die Closed und Philouze Kollektion wird ab Mitte April erhältlich sein.

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